"Das grüne Klassenzimmer" - Ein Konzept zum Wiederaufbau der Obstbauversuchsanstalt Müncheberg

Die obstgenetischen Ressourcen gehören unstrittig zu dem nationalen kulturellen Erbe in Deutschland.

Die alten, hochstämmigen Obstbäume sind der Spiegel einer Jahrhunderte alten Gartenkultur und gehen bis in das achte Jahrhundert, auf das Wirken von Karl dem Großen, zurück. Die ältesten, heute noch in unserer Region lebenden Gehölze stammen aus dem 18. Jahrhundert. Anhand dendrochronologischer Untersuchungen an diesen Zeitzeugen können die Auswirkungen des Klimawandels während der vergangen 250 Jahre aufgezeigt werden. Historische Verwertungsarten des Obstes können aufgrund der vorhandenen Genotypen und der speziellen Gebrauchswerte der Früchte nachvollzogen werden. Es ist möglich, die Dynamik in den Sortimenten unter den sich verändernden klimatischen Bedingungen und dem Auftreten neuer Schaderreger und pathogener Rassen zu erklären.

Die Bäume waren landschaftsprägend und lieferten einen nicht verzichtbaren Anteil des Nahrungserwerbs der ländlichen Bevölkerung.

Unter dem Aspekt des Verlustes der Bio-Diversität in der offenen Agrarlandschaft (mehr als 75 % der lebenden Biomasse ja ha in Form von Insekten von 1975 bis 2015) und dem damit verbundenen Rückgang von autochthonen Blütenpflanzen, stellen die Streuobstbestände mit Obstäckern, Streuobstwiesen, Söll- und Wegbegleitpflanzungen, sowie Solitärpflanzen ein einzigartiges Rückzugsgebiet dar. Die alten Obstgärten der Güter, die Bauerngärten, die der Siedler in den Randlagen der Gemeinden und die zahlreichen Kleingartenanlagen in den Zentren der großen Städte und Kommunen nehmen eine Verbundfunktion zwischen diesen Landschaftselementen ein.

Mehr als 99% der obstgenetischen Ressourcen, ca. 2.000 Sorten und Genotypen, werden in diesen Beständen seit mehreren Jahrhunderten erhalten.

Häufig bestehen familiäre Bindungen zu Einzelgehölzen, da sie vom Großvater oder Urgroßvater gepflanzt wurden und die Früchte spezielle Verwertungsmöglichkeiten eröffnen.

Die Erhaltung dieses Genbestandes setzt ein Grundwissen über die Biologie, den Wasser- und Nährstoffbedarf als auch der Pflege der Gehölze voraus.

Die Träger dieses Wissens, die Obstbaumwarte auf Gemeinde- und Kreisgebietsebenen der 50er Jahre sind verstorben und haben ihr Wissen mit in die Gräber genommen.

Wir verdanken ihrer Jahrzehnte langen Baumpflege unsere heutigen Alt- und Uraltbestände an Obst.

Die heutige Generation ist von großen Wissenslücken auf diesem Gebiet geprägt. Indizien sind die zahlreichen Fehlschläge bei der Sanierung oder Neuanlage von Streuobstbeständen. Vermeidbare Anfängerfehler bei der Planung aber auch bei der Unterhaltung der Anlagen und der Nährstoffversorgung der Gehölze sind die Folge.

Die Verbindung der reinen Erhaltung der genetischen Ressourcen (Sortengarten) mit der Wissensvermittlung um die pomologischen Grundlagen, die Eigenheiten und den Wert der einzelnen Sorten, ihre Standort- und Ernährungsansprüche gestattet mittelfristig die Erhaltung der genetischen Ressourcen durch Nutzung.

Das von mir vorgeschlagene Konzept zur Erfassung, Konservierung, Erhaltung durch Nutzung und des Wissenstransfers an die Träger der insitu Erhaltungsmaßnahmen der genetischen Ressourcen berührt die Interessen mehrere Ministerien.

Des erste wäre das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Durch eine projektmäßige Anbindung wäre es möglich, den genetischen Fond systematisch zu bewerten (pomologisch/ molekulargenetische Analysen, Resistenzverhalten der Sorten) und Prognosemodelle für die Nutzung der genetischen Ressourcen unter den Bedingungen des Klimawandels zu erarbeiten und wissensbasierte Erhaltungsstrategien vorzustellen.

Hier könnte unmittelbar die Zuständigkeit des Agrarministeriums, Ministerium für Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft, anschließen. Da ein Teil der Erhaltungsmaßnahmen durch KULAP - Richtlinien gefördert und kontrolliert werden.

Für die Erhaltung der genetischen Ressourcen in der Breite brauchen wir aber die einzelnen Garten- oder Grundstücksbesitzer, die sich über Generationen der Erhaltung ihrer Gehölze verpflichtet fühlen. Die Erzeugung gering belasteter Lebensmittel im eigenen Garten kann ein Beitrag zur Gesunderhaltung der Bevölkerung sein (geringes allergenes Potenzial).

Die Schnittmengen zu dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie liegen in der Brutto-Wertschöpfung im häuslichen Bereich und der Weitergabe von Traditionen. Ein wesentliches Element ist die lebendige Überlieferung von Erfahrungswissen und die emotionalen Bindungen zwischen menschlicher Arbeit und den natürlichen Wachstumsprozessen im Ökosystem Garten.

Ein weiteres Ministerium, welches in den know how transfer einbezogen werden sollte, ist das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. Neben einer direkten Unterstützung von Schulungsprogrammen, z. B.: Fachberaterschulungen im Bereich der Gartenverbände wäre die Erstellung und Umsetzung von Gartenfibeln für Kindergärten und Grundschulen anzuraten.

Kinder, die von kleinauf mit der Pflege von Gehölzen vertraut gemacht wurden und den Aufwand für den Aufbau eines Baumes kennen, neigen weniger zum Baumfrevel und Vandalismus als solche, die ohne Beziehung zu der lebenden Umwelt aufgewachsen sind. Soziale Kompetenzen die aus dieser frühkindlichen Erziehung erworben wurden, reichen bis zum Umgang mit anderen, älteren Mitmenschen, da sie diese als individuelle Wissensvermittler kennengelernt haben. Die Betätigung mit lebenden Pflanzen aber auch Kleintieren fördert das Verantwortungsbewusstsein, soziale Bildungen (Vereine) aber auch die Berufswahl. Eine Verknüpfung der Gartenfibel mit einer solchen Fibel zu: Kleintiere im Hausgarten würde das System abrunden.

Die Möglichkeiten einer interdisziplinären Zusammenarbeit sind breitgefächert.

Die Bildungsangebote erreichen in der ersten Ebene die breite Masse der Gartenbesitzer auf einem Einsteigerniveau und bieten Schnupperkurse für Kindergärten und Schulen.

In der zweiten Ebene wird auf den Ergebnissen aus der Versuchsanstellung und den Demonstrationsanlagen aufbauend das gehobene Niveau der Fachberater bedient.

Die dritte Ebene bietet aufgrund der Vernetzung von Forschungsthemen mit Instituten der Grundlagenforschung die Möglichkeit der Spezialberatung für politische Entscheidungsträger und Unternehmen des Erwerbsanbaus anzubieten.

Während der vergangenen drei Jahre wurde in Müncheberg (Projekt OGR am ZALF Müncheberg e. V. und dem ZALF Müncheberg e. V.) ein System zur Demonstration von Erfassungsmaßnahmen des lokalen obstgenetischen Fonds, zur Generhaltung, dem standortgerechten Obstanbau und der Wissensvermittlung aufgebaut.

Die einzelnen Positionen der Strukturempfehlung können nach Bestätigung von Personalstellen und finanziellen Mitteln mit Leben erfüllt werden.

Als wissenschaftlicher Fachabteilung standen der Station nach der Evaluierung ab 1991 zur Verfügung:

  • 3 Wissenschaftler
  • 3 Fachingenieure
  • 1 Meister
  • 3 technische Mitarbeiter und
  • 20.000 DM (heute wegen der Lohnangleichung €) als Saisonkraftmittel

Die Personalstellen wurden als Einsparungspotential während der vergangen 20 Jahre aus der Station abgezogen. Das ehemalige Personal der Station arbeitet noch heute in unterschiedlichen Struktureinheiten des MLUL bzw. der nachgeordneten Einrichtung, dem LELF Brandenburg.

Gegenwärtig ist die Station mit einer Personalstelle, der des Leiters, einem Traktoristen mit Zeitvertrag und drei Hilfskräften ausgestattet. Sie ist nahezu handlungsunfähig, da dieser Personalbestand ausschließlich der Erhaltung der Kulturen dient.

Die Arbeitsverhältnisse der Stammkräfte aus 2014 bis 2015 wurden durch das LELF Brandenburg nicht übernommen.


Hier das Konzept als pdf zum DOWNLOAD

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